Endlich Frühling. Beim Hervorholen der Sommerschuhe fällt mein Blick auf meine Sneakers mit den knallgelben Schnürsenkeln.

Bei dem Anblick huscht ein Lächeln über mein Gesicht und zahlreiche Erinnerungen an meine vergangenen Misiones werden wach. Gelb ist für mich die Farbe der Misiones, der Freude und der lebendigen Kirche.

misiones – mit den Menschen das Leben teilen

Misiones – das sind junge Erwachsene, die 10 Tage in einer Gemeinde in Deutschland zu Gast sind, in einfachen Verhältnissen leben und das dortige Gemeindeleben aktiv mitgestalten.

Für den Ablauf der Woche gibt es nicht das Patentrezept schlechthin, sondern je nach Bedarf liegt der Akzent auf sozialen, katechetischen oder spirituellen Angeboten. Herzstück sind die Tür-zu-Tür-Misiones, bei denen jeweils zwei Misioneros zusammen von Haus zu Haus unterwegs sind, die Menschen des Ortes besuchen, mit ihnen ins Gespräch kommen, diskutieren und beten.

Papst Franziskus fordert dazu auf, nicht nur die Kirchentüren zu öffnen und zu warten, dass die Menschen kommen, sondern als Kirche hinauszugehen zu den Menschen und mit ihnen das Leben zu teilen. Genau das hat sich Misiones auf die Fahne geschrieben.

Auf Augenhöhe

Wenn ich an Misiones denke, dann kommt mir immer wieder Apostelgeschichte 4,20 in den Sinn, wo es heißt: Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben. Das Christentum ist entstanden in dieser Dynamik des Weitererzählens des Glaubens und dessen, was die Menschen bewegt und begeistert hat.

So machen auch wir Misioneros uns auf den Weg und wollen nicht schweigen von der lebendigen Kirche und dem Glauben, für den wir brennen. Misiones ist für mich ein Stück Apostelgeschichte heute. Wir sind nicht in eigener Sache unterwegs, sondern stellen uns als Werkzeug Gottes zur Verfügung, damit er durch uns in der heutigen Zeit wirken kann. Wir wollen nicht überreden oder missionieren, sondern auf Augenhöhe ins Gespräch kommen, zuhören, uns gegenseitig bereichern, unsere Freude teilen und Gott im Anderen begegnen.

Jede Misiones-Woche hatte für mich bis jetzt einen prägenden Moment, in dem ich erfahren durfte, warum ich 10 Tage auf einer Isomatte schlafe, mit klopfendem Herzen vor fremden Haustüren stehe und mich wieder und wieder auf neue Menschen und ihre Geschichten einlasse.

So wie ich, könnte jeder Einzelne der Misioneros von unzähligen Begegnungen und Momenten erzählen, in denen spürbar geworden ist, dass Gott real unter uns ist. Einige meiner Begegnungen möchte ich an dieser Stelle teilen.

Sprechen von Herz zu Herz

Kranenburg 2017. An einem verregneten Morgen öffnet uns eine Frau mittleren Alters die Tür. Etwas verwundert steht sie uns gegenüber, hat sie uns doch nicht erwartet und noch nie von den Misiones gehört.

Eigentlich hat sie gar keine Zeit und doch lässt sie sich auf ein Gespräch ein, wortwörtlich über Gott und die Welt. Dabei dürfen wir erleben, wie sich die Frau uns, den Fremden, gegenüber öffnet und zu erzählen beginnt von ihrer schwierigen Kindheit, der Hingabe, mit der sie ihr behindertes Kind pflegt, und ihrem Verhältnis zum Glauben und zur Kirche.

Nachdem wir schon über eine Stunde an der Haustür stehen und uns unterhalten, kommt ihre Nachbarin vom Einkaufen nach Hause. Als sie hört, dass wir von der Kirche sind, ruft sie uns nur entgehen Bleibt mir bloß weg damit! und geht in ihr Haus hinein. Wir unterhalten uns weiter, die Themen wechseln von Glaube zu Gesellschaft und Politik.

Schließlich kommt die Nachbarin, die im ersten Moment so ablehnend reagiert hatte, hinüber und klinkt sich in das Gespräch mit ein.

Und dann passiert das, was für mich die wertvollste Erfahrung ist: Die Frauen beginnen miteinander zu sprechen. Nicht auf einer Smalltalk-Ebene, sondern von Herz zu Herz.

Diese Begegnungen machen für mich Misiones aus. Wenn Menschen sich auf einer Herzensebene begegnen und füreinander zum Segen werden, dann entsteht wahre Gemeinschaft und eine Ahnung davon, wie es ist, Volk Gottes zu sein.

Und wenn Misiones es schafft, dazu vielleicht einen kleinen Impuls zu geben, dann lohnt es sich für mich, dabei zu sein.

Dasein mit allen Freuden und Ängsten

Mainz - Laubenheim 2012. Bei den zahlreichen Veranstaltungsangeboten taucht immer wieder eine junge Frau auf, die schließlich sogar mit uns von Tür zu Tür unterwegs ist.

Es wird sichtbar: Misiones steckt an! Als wir abends nach einem langen Tag mit vielen Erlebnissen im Pfarrheim zusammensitzen, beginnt sie von sich und den Schicksalsschlägen zu erzählen, die sie bis jetzt erleben musste.

Die Geschichte dieser jungen Frau bewegt mich, mir stehen Tränen in den Augen. Ich habe für sie nicht die Antwort, die alles wieder gut werden lässt, aber ich kann da sein in meinem Menschsein, in meiner eigenen Schwäche. Und dafür braucht es nicht viele Worte, sondern ein ehrliches Mit-Fühlen, ein Da-Sein.

Diese Begegnung hat mich gelehrt, dass es nicht auf die großen und lauten Momente ankommt, sondern ein stilles Miteinander-Gehen ebenso wertvoll, wenn nicht sogar noch wertvoller sein kann.

Ich brauche nicht die perfekte Ausbildung oder Schulung, um Misionera zu sein, sondern es kommt darauf an, authentisch zu sein. Wenn ich an den Türen stehe und den Menschen begegne, dann darf ich das tun mit allem, was ich kann, aber auch mit dem, was ich nicht kann.

Ich darf genauso da sein mit meinen eigenen Zweifeln, Fragen und Ängsten wie ich es mit meiner Freude, meiner Überzeugung und meiner Begeisterung bin.

Die Sache selbst in die Hand nehmen

Die Wirkkraft der Misiones zeigt sich jedoch nicht nur in den einzelnen, sehr persönlichen Begegnungen an den Haustüren, sondern auch in den verschiedenen Aktionen in und um die Kirche.

Mögliche Angebote reichen von einem Candlelight-Dinner für Paare über das tägliche Abendlob bis hin zu Kommunionkindertagen und Besuchen in örtlichen Vereinen.

Dabei geht es nicht darum, ein einmaliges Event zu veranstalten, sondern der Gemeinde ganz konkrete, einfach umsetzbare Beispiele an die Hand zu geben, wie sie aktiv ihre Kirche gestalten können.

Beim Vorbereitungstreffen der kommenden Misiones-Woche im Jossgrund brachte eine engagierte Frau zum Ausdruck, wie traurig sie es fände, dass die wöchentliche Frauenmesse mit Frühstück nicht mehr stattfinden kann, da dafür kein Priester mehr zur Verfügung steht.

Das ist zum Ausgangspunkt geworden, kreativ zu werden und neue Ideen zu entwickeln, wie die Frauen ihre Treffen mittels anderer liturgischer Formen selber gestalten und in die Hand nehmen können.

Misiones kann zur Initialzündung für eine Pfarrei werden, wenn Menschen den Mut bekommen, ihre Kirche aktiv zu gestalten und Neues auszuprobieren.

Apostel im Alltag sein

Genug geredet – jetzt ist es Zeit, nicht nur von einer lebendigen Kirche zu träumen, sondern meine Schuhe mit den gelben Schnürsenkeln anzuziehen und hinaus in den Alltag zu gehen. In die Uni, in die Gemeinde und zu Freunden. Und mich daran erinnern zu lassen, Apostel im Alltag zu sein und dort, wo ich stehe. Von der Freude zu zeugen, Teil einer lebendigen Kirche zu sein.

Misiones ist nicht nur eine Woche im Jahr – Misiones ist jeden Tag.